Integrierte Gesamtschule Zell an der Mosel

Stolpersteinverlegung im Religionsunterricht integriert

Stolpersteinverlegung auf vielfältige Weise in den Religionsunterricht integriert
Im Rahmen der Unterrichtseinheit „Kirche und Nationalsozialismus“ wurde auch die aktuelle Verlegung der 23 Stolpersteine in Zell, Bullay und Cochem auf vielfältige Weise in den Unterricht integriert. Neben einer ausführlichen Thematisierung der „Rede an die Jugend“, die der Holocaustüberlebende Elie Wiesel im Bundestag gehalten hatte und in welcher er die Bedeutung der Erinnerung als Bindeglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart sowie als Mahnung für die Zukunft hervorhebt, wurden die Stolpersteine als Möglichkeit der Erinnerungskultur besprochen und reflektiert.

Ausgehend von diesen theoretischen Hintergrundinformationen machten die Schüler sich selbst auf den Weg und besuchten die Stolpersteine in Zell. An den jeweiligen Stellen der verlegten Stolpersteine erhielten die Neuntklässler Informationen zu den betroffenen Personen und erinnerten an ihr Leben und Schicksal.

Darüber hinaus besuchten auch Angehörige jüdischer Mitbürger den Unterricht und erzählten eindrucksvoll und offen von ihrem Schicksal:

Sie waren kurz vorher an der Stolpersteinverlegung, in Erinnerung an ihre Großeltern, dabei gewesen. Die Familie Harf sind ehemalige Bullayer, der Großvater Walter, jetzt 87 Jahre alt, konnte leider nicht mitkommen. Er hatte aber Judith Esser und einigen ihrer Mitschülerinnen über seine Grundschulzeit in Bullay einen ausführlichen Bericht geschrieben. Diesen hatten wir im Vorfeld des Besuchs gelesen. Er schrieb, dass er sich bis zu der Zeit, in der die Nationalsozialisten an die Macht kamen, sehr wohl gefühlt habe. In seiner Grundschulzeit musste er, nachdem ein neuer Lehrer an die Schule kam, mit vielen Repressalien zurechtkommen. Auch seine Eltern konnten ihr Geschäft nicht weiterführen. Er war mit seiner Familie 1930 glücklicherweise nach Amerika ausgewandert. Die Urgroßeltern blieben zurück, da der Urgroßvater sich sicher war, dass ihm nichts passieren würde, da er im ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft hatte. Die Enkel von Walter und seiner Schwester Inga, David Gerade Harf, Nancy Harf und Bob Sandor sowie seine Frau Ellen Sandor, die auch mit ihrer Familie aus einem anderen Ort in Deutschland geflüchtet waren, saßen nun bei uns, berichteten sehr offen über das Schicksal ihrer Familien. Weitere Brüder des Urgroßvaters flüchteten nach Luxemburg und Italien. Während ihres Besuchs erzählten sie von ihrem Leben in Deutschland, ihrer Flucht, ihr Start und ihr Leben in Amerika und über ihre Verwandtschaft. Nach dem Krieg wollte die Oma Inga nicht wieder nach Bullay zurückkehren. Walter Harf hatte gemischte Gefühle zurückzukehren. Die Enkel berichteten, dass ihr Großvater noch sehr deutsch war. Er war sehr pünktlich und genau. Sogar samstags, dem jüdischen Sabbat, behielten sie ihre deutschen Sitten bei. Es wurde am Samstag Kuchen gebacken natürlich deutsche Rezepte wie z.B. „Quetschekuchen“, dabei wurde nur deutsch gesprochen. Aber auch nur dann, wenn sie unter sich waren, ohne ihre Kinder.

Die Gäste berichteten, dass ihre Großeltern nach ihrer Flucht nicht zurückblicken wollten, sondern nur in die Zukunft und sie selten über ihre Zeit in Deutschland erzählten. Erst jetzt durch den Briefkontakt und die Stolpersteinverlegung wurde intensiver über die Vergangenheit berichtet. Sie appellierten an uns, aus der Begegnung etwas mitzunehmen, Menschen als Person kennenzulernen, nicht aufgrund ihrer Religion oder ihrer Nationalität zu beurteilen und man sich eine eigene Meinung von Leuten machen soll. Sie waren begeistert über die herzliche und offene Aufnahme, die sie hier bei ihrem Deutschlandbesuch erleben konnten. Es war für uns alle eine beeindruckende Begegnung, über die wir noch länger nachdenken werden.
Bericht von Joel Theisen

 

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